Hexenprozesse im Sauerland

von Dr. Rainer Becker

Das Sauerland war eines der Zentren der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung: Mehr als 1100 angeklagte Personen, mindestens 900 Hinrichtungen, davon etwa 30 Prozent Männer. Auch vor Hirschberg machte die Hexenprozess-Welle nicht halt. Ida Teipel, Johann Steineke, Katharina Schutes, Maria Böckers – vier von vielen Namen, hinter denen Hirschberger Menschen stecken. Alle wurden der Hexerei verdächtigt. Da die wenigsten von ihnen ein Geständnis ablegten, wurden andere Mittel angewendet. Die Folter galt als Weg, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Ein Hexenprozess lief nach einem Muster ab: Erst gab es eine Anzeige bei Gericht. Jemand hat sich verdächtig gemacht. Das kann die alte Bettlerin gewesen sein, die an der Haustür der Bäuerin nichts Essbares bekommen hat. Nachdem am kommenden Tag die Kuh stirbt, unterstellt man der Bettlerin, sie habe die Bäuerin verwünscht, weil die ihr nichts Essbares gegeben habe. Der Richter prüft die Indizien und der Haftbefehl folgt, wenn diese in seinen Augen ausreichen. Sind die Indizien stark, wird die Person gefoltert. Einige Beispiele: Auspeitschen und an den Armen aufgehangen nach oben gezogen zu werden, während die Füße am Boden fixiert waren, waren gängige Foltermethoden.

Die „Nadelprobe“ war ein spezielles Verfahren: Man glaubte, der Teufel habe der Hexe als ihr Verbündeter ein Muttermal hinterlassen. In dieses stach der Richter dann hinein. Spürte die Frau keinen Schmerz, war das der Beweis: Sie musste eine Hexe sein. Dass die Frauen aber keinen Schmerz spürten, lag wohl daran, dass sie bereits stundenlange Folter ertragen hatten. Ein anderes, ebenso erniedrigendes Beispiel ist die Wasserprobe gewesen. Die  vermeintliche Hexe wurde in den Dorfteich geworfen. Wenn sie oben schwamm, dann war sie eine Hexe, denn sie hatte kein natürliches Gewicht.

Wenn eine Hexe oder ein Hexer bei der Folter starb, hieß es: „Der Teufel hat ihr den Hals umgedreht. Riecht Ihr nicht den Schwefel?“ Das tragische Ende war bei allen gleich: Der Scheiterhaufen sollte nichts von ihnen übrig lassen.

In Hirschberg gab es jedoch einen Pastor, der sich gegen die Hexenverfolgung wendete. Michael Stappert zeichnete viele Prozesse in Hirschberg auf. Er nennt Ross und Reiter. Und so berichtet er von einem Hexenprozess in Hirschberg, bei dem eine Frau unter Folter eine unschuldige Bürgerin der Hexerei bezichtigte, weil sie endlich von den Qualen erlöst werden wollte. Stappert nennt auch den Namen eines der Täters: Dr. Heinrich von Schultheiß, der als Jurist für viele Prozesse und Folterungen verantwortlich war.

Michael Stappert kann man als den Friedrich von Spee des Sauerlandes bezeichnen. Von Spee übte schon früh Kritik an den Hexenprozessen. Diese gipfelte in dem Satz: „So sehe ich mich dahin gebracht zu zweifeln, ob es überhaupt Hexen gibt“, den er 1631 in seinem Buch „Cautio Criminalis“ schrieb.